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                      |  |  DELPHI 
                    1023 verlegt bei Franz Greno, NördlingenKOXKOX und KIKEQUETZEL von Christoph Martin Wieland
 
 Kapitel 
                    1.
 
 "Vor undenklichen Jahren kam, 
                    nach einer alten Mexikanischen Sage, ein großer Komet..." 
                    ...Denn unglücklicher Weise befanden isch in diesem Schweife 
                    (welcher nach der mäßsigsten Berechnung eine Million 
                    dreymahl hundert vier und vierzig tausend fünf hundert 
                    sechs und sechzig Mexikanische Meilen lang, und verhältnismäßsig 
                    breit und dick war) obenhin gerechnet wenigstens hundert tausend 
                    Millionen Tonnen Wassers, welches in erschrecklichen Güssen 
                    auf die arme Erde herunter stürzte, und in wenigen Stunden 
                    eine solche Überschwemmung verursachte, daßs alle 
                    Menschen und Theire des ganzen mittlern Theils der Halbkugel, 
                    von Luisiana und Kalifornien an bis zu der Erdenge Panama, 
                    dadurch zu Grunde gingen;...
 
 Kapitel 
                    2.
 
 Ein junger Mensch - der jedoch alt 
                    genug war, um zu wissen, daßs man ihn Koxkox zu nennen 
                    pflegte, ehe dieses entsetzliche Schicksal sein Vaterland 
                    befiel, - hatte das Glück, der allgemeinen Zerstörung 
                    zu entrinnen, und das Unglück, allem Ansehen nach das 
                    einzige menschliche Wesen zu seyn, dem dieses Glück zu 
                    Theil geworden war...
 
 Kapitel 
                    3.
 
 Das Land, worauf sich Koxkox befand, 
                    war durch die besagte Überschwemmung zu einer Insel geworden..., 
                    die Thäler waren voll Blumen und fruchttragender 
                    Gewächse;...  Die Einsamkeit - 
                    ich meine hier eine solche, welche nicht von unserm Willen 
                    abhängt, und in einer gänzlichen Beraubung aller 
                    menschlichen Gesellschaft besteht - mußs für Menschen, 
                    die an die Vortheile und Annehmlichkeiten des gesellschaftlichen 
                    Lebens gewöhnt sind, ein unerträgliches Übel 
                    seyn... Wenn sie anfingen das Leere ihres Zustandes zu fühlen, 
                    wie viele Hülfsmittel würde ihnen ihre Einbildungskraft 
                    darbieten! Sie würden Berge und Haine und Thäler 
                    mit eingebildeten Wesen anfüllen; sie würden mit 
                    den Nymfen der Bäche, mit den Dryaden der Bäume 
                    Liebesverständnisse unterhalten;... - und alle Bonzen 
                    und Bonzinnen auf beiden Seiten des Ganges wissen, "daßs 
                    angenehme Träume sehr viel sind, wenn man nichts substanzielleres 
                    haben kann."
 
 Kapitel 
                    8.
 
 Koxkox, sage ich, war in dem wichtigen 
                    Augenblicke, wovon die Rede ist, achtzehn Jahre, drey Monate, 
                    und einige Tage, Stunden, Minuten und Sekunden alt.
 Er war fünf Fußs und einen halben Palm hoch, stark 
                    von Gliedmaßsen, und von einer 
                    so guten Leibesbeschaffenheit, daßs er niemahls in seinem 
                    Leben weder Husten, noch Schnupfen, noch Magendrücken, 
                    noch irgend eine andere Unpäßslichkeit gehabt hatte; 
                    - welchen Umstand der weise und vorsichtige Kornaro in seinem 
                    bekannten Buche von den Mitteln alt zu werden, seiner Mäßsigkeit 
                    und einfältigen Lebensart zuschreibt.
 
 Die Absonderung seiner Säfte ging also vortrefflich von 
                    Statten, und die flüssigen Theile befanden sich bey ihm 
                    mit den festen in diesem glücklichen Gleichmaßse, 
                    welches, nach dem göttlichen H i p p o k r a t e s, die 
                    Bedingung einer vollkommenen Gesundheit ist.
 
 
  Alle 
                    seine Sinne und sinnlichen Werkzeuge befanden sich in derjenigen 
                    Verfassung, welche - in allen Handbüchern der Wolfischen 
                    Metafysik - zum Empfinden erfordert wird. Die 
                    Kanäle seiner Lebensgeister waren nirgends verstopft, 
                    und die Fortpflanzung der äußsern Eindrücke 
                    in den Sitz der Seele, (welcher, im Vorbeygehen zu sagen, 
                    ihm so bekannt war als irgend einem Psychologen unserer Zeit) 
                    nebst der Absendung der Volizionen und Nolizionen aus dem 
                    Kabinet der Seele in die äußsersten Fäserchen 
                    derjenigen Werkzeuge, welche bey Ausführung derselben 
                    unmittelbar interessiert waren, ging mit er größsten 
                    Leichtigkeit und Behendigkeit von Statten. 
 Er hatte ungefähr vor zwey Stunden eine starke Mahlzeit 
                    von Früchten und geröstetem Maiz gethan, und ungefähr 
                    drey Nößsel von einem Trank aus Wasser, Kakaomehl 
                    und Honig zu sich genommen, von welchen beiden Ingredienzien 
                    das erste (Wasser) bekannter Maßsen sehr nährend, 
                    und das andere, nach Boer-haave und allen die Er abgeschrieben 
                    hat und die Ihn abgeschrieben haben ein vortreffliches Konfortativ 
                    ist dessen Koxkox weniger als irgend einer von unsern angeblichen 
                    Mädchenfressern nöthig gehabt zu haben scheint..,
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